Warum Farbpsychologie einen größeren Einfluss auf Marketing hat als du denkst

Erfahre, welche Farben du für deine Marketingaktivitäten nutzen solltest.

Meist denkt man über Farben nicht nach, bis plötzlich ein Internetphänomen die Runde macht, dass der eigene Wahrnehmung einen Streich spielt: The Dress.

(Verdrängt? Vergessen? Hier geht es zum verhängnisvollen Foto.)

Beinah zwei Jahre ist es her, dass sich Familien, Freundschaften und Beziehung weltweit der schweren Prüfung unterziehen mussten.

Inzwischen weiß man, das Kleid ist blau-schwarz. Trotzdem bringt es einen zum Grübeln. Wie kommt es, dass wir Farben anders sehen, wahrnehmen, interpretieren? Macht es überhaupt Sinn nächtelang über perfekten Farbkombinationen zu brüten, wenn wir nicht einmal sicher sein können, alle die gleichen Farben zu sehen? Das vage Gefühl der Unsicherheit wird nicht besser, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass Farben kein festes Ding sind, sondern reflektierte Lichtwellen unterschiedlicher Wellenlänge. Puh.

Wir zeigen dir, warum du dir trotzdem Gedanken über Farbwahl machen solltest und wie du so deine Corporate Identity aufpolieren und verfeinern kannst.

Farben haben drei Eigenschaften

Es gibt keine wissenschaftliche Profession, die Farben ganz für sich alleine beanspruchen könnte. Einig ist man sich allerdings, dass Farbsehen dem Menschen helfen soll, sich zu orientieren. Man denke nur an unsere Vorfahren, die mühsam durch Wälder streiften und Beeren sammelten. Ohne Farbsehen eine schwierige Angelegenheit.

Es gibt verschiedene Theorien, nach denen Farben geordnet werden können. In vielen werden drei Ordnungsprinzipien angelegt:

1. Farbton (Hue)

Ein durchschnittlicher Mensch kann etwa 20 Millionen Farben unterscheiden!
Wenn kein Farbton vorhanden ist, handelt es sich um eine achromatische Farbe – also Schwarz, Weiß oder Grautöne.

2. Helligkeit (Wert)

Meistens ist die Umgebung eines Objektes für die Bestimmung der Helligkeit genauso wichtig wie die Helligkeit des Objektes selbst. So wirkt ein und derselbe Grauton je nach Umgebung hell oder dunkel. Dieser Aspekt ist sehr wichtig, da auch das Auge mit Hilfe von Kontrasten sieht und Kontraste in der Verarbeitung im Gehirn mehr Bedeutung zukommt, als einer einfache Farbfläche.

3. Farbsättigung

Die Sättigung beschreibt die Intensität der Farbe, also „wie stark sich ein farbiger Reiz von einem achromatischen Reiz unabhängig von dessen Helligkeit unterscheidet”.

Darüber hinaus wird oft zwischen warmen und kalten Farben unterschieden. Im Farbkreis sind die eher warmen Farben über der Linie, die kalten darunter.

Was ist deine Lieblingsfarbe?

In keinem Freundschaftsbuch durfte die Frage nach der Lieblingsfarbe fehlen – anscheinend hat jeder eine. Aber warum eigentlich?

Es gibt verschiedene Theorien darüber, woher unsere Präferenzen für bestimmte Farben kommen. Eine Theorie mit dem klangvollen Namen “Ecological Valence Theory” erklärt Farbvorlieben damit, dass wir während wir aufwachsen unsere Präferenzen für bestimmte Gegenstände auf die Farbe, die sie besitzen, übertragen.

Ein einfaches Beispiel: ich bin mit roter Paprika aufgewachsen und mochte sie schon immer gerne, grüne Paprika hat mir hingegen nicht geschmeckt. Andere großartige Sachen wie Erdbeeren, Marmelade und mein Lieblingsspielzeug sind auch rot. In Folge mausert sich Rot zu einer Lieblingsfarbe von mir, Grün hat dagegen keine Chance.

Es gab und gibt Versuche, universelle Listen an Lieblingsfarben herzustellen und mit Daten weltweit zu belegen. Zum Beispiel diese Reihenfolge, nach der Blau die beliebteste und Gelb die unbeliebteste chromatische Farbe ist (nach Eysenck, 1941):

  1. Blau
  2. Rot
  3. Grün
  4. Lila
  5. Orange
  6. Gelb

Welches aber tatsächlich die Lieblingsfarbe ist, hängt Studien zufolge unter anderem damit zusammen, wie alt man ist, welches Geschlecht man hat und in welchem Land bzw. welcher Region man aufgewachsen ist – also von den demographischen Daten. Anstatt Listen zu entwerfen, die Lieblingsfarben sortieren, macht es aus Marketingperspektive mehr Sinn zu erforschen, was mit welchen Farben assoziiert wird. Aber wie können Farben überhaupt helfen, Marketingziele zu erreichen?

Wie beeinflussen Farben Marketingziele?

Nach Asams vorgeschlagenem Modell der Farbwirkung im Marketing wirken sich subjektive Normen und demographische Daten genauso auf die Farbwahrnehmung aus, wie z.B. subjektive Assoziationen, etwa die Erinnerung an das fahlgrüne Haus der Großeltern, in dem der Lieblingsfilm angeschaut werden durfte, so oft man wollte.

Ich finde das Modell passend, weil es keine einfache Wirkrichtung vorschlägt, sondern vor allem Wechselwirkungen und vielfältige Einflüsse in den Vordergrund stellt.

Farben sind Teil unserer Erwartungshaltung

Im Designkontext kommt es nicht zuletzt darauf an, welche Erwartungen ein Kunde an das Endprodukt hat – im Modell fände man das unter dem Punkt “Objekt/ Kontext”.

Farbe hat sogar so einen großen Einfluss, dass sie unsere Wahrnehmung verzerren kann. Das funktioniert zum Beispiel bei Geschmack (wenn dunkelrote Limonade automatisch nach Waldbeeren schmeckt) oder bei der Bewertung der Lautstärke von Sportwagen.

In einer Studie bekamen die Versuchspersonen das Bild eines Wagens in verschiedenen Farben nacheinander zu sehen und hörten dazu Motorengeräusche, die sie einstufen sollten. Obwohl die Lautstärke immer gleich war, wurden rote und dunkelgrüne Wagen als lauter beschrieben – vermutlich weil rot sofort Erinnerungen an einen Ferrari aktiviert und dunkelgrün anscheinend auch eine Farbe für Rennwagen ist (man lernt nie aus). Diese Einschätzung war sogar unabhängig von Lieblingsfarben.

Eine Reise durch den Regenbogen

Um Erwartungen und kulturelle Hintergründe bezüglich bestimmter Farben genauer einordnen zu können, findet ihr hier eine Liste mit Farben und ihren Assoziationen. Diese Liste basiert hauptsächlich auf Haverkamp (2013) und wurde teilweise mit anderen Studien ergänzt.

Im Kreis links stehen Assoziationen, die man vor allem hierzulande mit der jeweiligen Farbe haben kann (Achtung vor kulturübergreifenden Schlussfolgerungen). In den drei Textspalten stehen links positive, rechts negative und mittig neutrale Attribute, die mit den Farben verbunden werden.

Blau gehört zu den kalten Farben. Es wird meist mit Wasser, Verbindlichkeit, Reinheit und Ruhe – auch mentaler Ruhe, Besonnenheit – in Verbindung gebracht. Blau soll Puls und Atmung verlangsamen und den Blutdruck senken, den Körper also beruhigen.

Gleichzeitig steht es im Deutschen und vor allem im Englischen für Phasen der Melancholie, Traurigkeit und des Rückzugs. Deutlich wird das zum Beispiel an Redewendungen wie “He’s got the Blues.” Auch Pablo Picasso verarbeitete in seiner “blauen Periode” den Tod eines engen Freundes. Apropos Kunst: in Gemälden werden Blautöne häufig eingesetzt, um Entfernung zu suggerieren – entfernte Objekte verschmelzen mit einem Blauton mit Himmel und Horizont.

Blau ist generell sehr beliebt und wird vor allem von Unternehmen eingesetzt, die Verbindlichkeit ausstrahlen und Besonnenheit wollen. Das sind zum Beispiel Versicherungen. Genauso setzen Reinigungsunternehmen auf Blau, da es Reinheit, Frische und Klarheit symbolisiert. Eine kleine Logosammlung seht ihr unten:

Rot wird meist als warme Farbe eingesetzt und steht je nach Kontext für Hitze oder behagliche Wärme. Sie ist auch als Farbe der Liebe bekannt und steht hier vor allem für Leidenschaft und Erotik – wie roter Lippenstift. Das kann auch negativ in unmoralische Verführung umschlagen und Rot kann so sogar zur diabolischen Farbe werden.

Darüber hinaus ist es eine beliebte Signalfarbe, die zum Beispiel an Ampeln für “Stopp” steht und auf Schildern Gefahr symbolisiert. Anscheinend erhöhte Rot im Gegensatz zu Blau Herzschlag, Blutdruck und Atmung – und sorgte damit tatsächlich für körperliche Erregung.

Durch seine Signalwirkung strahlt Rot ausserdem Kraft und Selbstsicherheit aus. Im Gegensatz zum in sich gekehrten Blau wirkt es expressiv bis hin zur Explosivität. Da Rot eine breite Assoziationspalette hat, kommt es vor allem auf den Kontext und die Sättigung bzw. Helligkeit des Rottons und den Kontext an.

Rot wird häufig im Gesundheitssektor eingesetzt, etwa beim Roten Kreuz, der Caritas oder als Apothekensymbol. Hier symbolisiert es Dringlichkeit und steht für “Blut”, also Körperlichkeit.

Auch viele andere Branchen nutzen Rot, etwa Banken (z.B. UniCredit, Sparkasse) oder Produkte, die für eine hohe Performance stehen sollen. Darüber hinaus bietet sich Rot in Kombination mit Weiß für viele schweizerische oder österreichische Unternehmen an (z.B. Rivella).

Gemeinsam mit Rot und Blau bildet Grün die Grundlage für Farben an Monitoren (RGB-Farbräume). Im überwiegend christlich geprägten Deutschland ist Grün die Farbe der Hoffnung und hat sich als solche in den Köpfen festgesetzt. Im Alltag fällt es vor allem als “Go”-Zeichen an Ampeln auf (Sicherheit) oder wird mit Recycling assoziiert (“Der Grüne Punkt”).

Auch in der Natur ist die Farbe im Überfluss vorhanden, denn für Pflanzen ist die Farbe lebensnotwendig. Insofern steht Grün in den meisten Fällen für Natur, Erholung und Gesundheit. Allerdings kann das auch ins Gegenteil umschlagen und für Giftigkeit stehen – man denke nur an Filme, in denen grüner Dampf aus Fässern emporsteigt oder fluoreszierender grünen Schleim die Menschheit bedroht.

Grün ist besonders beliebt bei Produkten, die Natürlichkeit suggerieren.

Auch McDonalds versuchte 2009 seine Corporate Identity durch einen Logowechsel von Gelb-Rot zu Gelb-Grün aufzupolieren und als (zumindest etwas) gesunde Alternative gesehen zu werden.

Im Mittelalter waren Grün und Gelb die Farben des Neides, heute wird vor allem Gelb mit Neid und Eifersucht assoziiert. In Umfragen zu Farbpräferenzen polarisiert Gelb – das sieht man auch daran, dass neutrale Attribute im obigen Schaubild fehlen.

Von Liebhabern wird es meist mit Sonne, Energie, Wärme, Freude und Kraft in Verbindung gebracht. Andererseits wird es in der Natur von Insekten (z.B. von Wespen) als Warnfarbe eingesetzt und auf Hinweisschildern verwendet. Als oft warm eingesetzte Farbe strahlt es Optimismus aus.

Gelb wird dank Signalwirkung und Assoziationen mit Energie und Kraft von Energieunternehmen oder Verkehrsbetrieben (z.B. BVG) verwendet. Das Stromunternehmen Yello Strom hat sich die Farbe sogar beinah in den Markennamen gepackt.

In der christlichen Tradition steht Lila für Feierlichkeit – auch heute noch tragen Pfarrer in der Advents- und Fastenzeit violett. Darüber hinaus wird es vor allem mit Extravaganz bis hin zur Eitelkeit assoziiert.

Rosa hat sich immer mehr als Mädchenfarbe etabliert – ein Segen für gegendertes Marketing, das durch rosa Ü-Eier eine neue Käufergruppe geschaffen hat. Interessanterweise war früher Blau mit Weiblichkeit und Rot (auch Rosa) mit Männlichkeit assoziiert. Rosa ist natürlich nicht nur geeignet, um das Geschlecht seines Babies anzukündigen, sondern steht auch für Zartheit, Höflichkeit, Charme oder Unschuld.

Da keine andere Farbe so eindeutig einem Geschlecht zugeordnet wird, wird (pastelliges) Rosa meist in Verbindung mit einer weiblichen Zielgruppe gebracht.

Bei kräftigeren Pink-Tönen kann diese Wirkung gebrochen werden – etwa das unter gerichtlichem Schutz stehende Magenta der Telekom.

Die letzte chromatische Farbe in dieser Reihe ist Orange. Orange steht als warme Farbe für Geselligkeit bis hin zur Aufdringlichkeit. Außerdem wird es mit aromatischer Küche, Gewürzen und Düften in Verbindung gebracht – vermutlich nicht zuletzt dadurch, dass eine Zitrusfrucht nach der Farbe benannt ist. Oder andersherum, wer kann das schon wissen.

Grautöne sind unbunt und zählen damit zu den achromatischen Farben. Meist werden sie mit Bürokratie oder Kaltherzigkeit in Verbindung gebracht. Zum Beispiel auch in Michael Endes Roman “Momo”, in dem die Anzug tragenden “grauen Männer” ein kaltes Spiel mit der Zeit treiben und Lebensfreude keinen Platz lassen.

Oft wird Grau auch mit Tristesse assoziiert – etwa als Sinnbild mit anonymen grauen Hochhäusern. Sieht jemand nicht lebendig aus, wird der Teint als “grau” oder “fahl” oder “fahlgrau” bezeichnet. Da es weder Schwarz noch Weiß ist wird es außerdem als nichtssagend und unsicher betrachtet.

In Kombination mit anderen Farben ist es trotzdem durchaus beliebt, nicht zuletzt weil sich die negativen Assoziationen durch Farben relativ einfach brechen lassen.

Schwarz ist bei uns Trauerfarbe – im Gegensatz zu anderen Kulturen. Dementsprechend wird es in einem Atemzug mit Tod, Unglück oder Hoffnungslosigkeit genannt – zum Beispiel wenn jemand “schwarz sieht”. Gleichzeitig steht es auch für die Nacht, das Mysteriöse, Geheimnisvolle und Magische. Das macht es zu einer eleganten, edlen Farbe und zu einer eigenen Kleiderkategorie (das kleine Schwarzen).

Schwarz wird außerdem mit Sicherheit (es steht schwarz auf weiß), zum Beispiel wenn es darum geht “schwarze Zahlen zu schreiben”, also Gewinn zu machen. Dieser Aspekt kann aber schnell in Härte oder sogar Brutalität umschlagen.

Während Weiß zum Beispiel in Japan als Trauerfarbe getragen wird, steht es bei uns vor allem für Reinheit und Unschuld und ist damit die Farbe der Wahl für Brautkleider. Darüber hinaus wird es mit Spiritualität und Wahrheit in Verbindung gebracht – bei Nahtoderfahrungen oder in Erzählungen wird oft vom “weißen Licht” berichtet. In vielen Filmen wird der Himmel weiß dargestellt.

Da Weiß als Hintergrundfarbe fest etabliert ist, wird es in Logos meist Weiß als Negativfarbe eingesetzt (wie auch oben). Reines Weiß kann zudem mit Leere assoziiert werden – zum Beispiel im Schreibprozess, indem Kreative mit dem leeren, weißen Blatt zu kämpfen haben.

Was bedeutet das für Design?

Generell erregen Signalfarben wie Rot oder Gelb, die so auch im Straßenverkehr eingesetzt werden, sofort Aufmerksamkeit. Aber nur unter der Voraussetzung, dass sie genug Platz bekommen, um ihre volle Wirkkraft zu entfalten.

Im Beispiel unten ist die Wirkung des weißen Herzens rechts enorm, da hier der Kontrast am größten ist und wirken kann. Das Herz links ist zwar rot, muss sich aber gegen zahlreiche knallige Farben durchsetzen, um wahrgenommen zu werden.

Unterm Strich hat jede Farbe positive und negative Assoziationen, kann je nach Umgebung mehr oder weniger gut Blicke auf sich ziehen. Entscheidend ist der Kontext des Produktes – wofür steht mein Produkt? – und der Kontext des Betrachters – wer ist meine Zielgruppe? Was erwartet sie?

Ein Glück, so wird das Spiel mit den Farben nicht langweilig.

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